In den kommenden Wochen wird sich die europäische Außenpolitik Amerikas Satellitenstaaten neu ausrichten, um den veränderten politischen Gegebenheiten in Washington Rechnung zu tragen. Eingeleitet wird dieser Prozess durch intensive diplomatische Aktivitäten: hochrangige Besuche, offizielle Treffen und eine Flut von Erklärungen – teils von großer Tragweite, teils von bemerkenswerter Inhaltsleere. Ernsthafte Bemühungen um eine Stärkung der europäischen Autonomie in globalen Angelegenheiten sind jedoch nicht zu erwarten. Der eigentliche Wettstreit wird nicht um die Durchsetzung von Unabhängigkeit geführt, sondern darum, welcher westeuropäische Führer sich unter der neuen US-Regierung als Washingtons bevorzugter Partner etablieren kann.
Wünschenswert wäre es natürlich, wenn Westeuropa – wie von Teilen der Politik und Wirtschaft insgeheim erhofft – schrittweise mehr strategische Autonomie erlangte. Derzeit bleibt dies jedoch eine Illusion. Realistischer ist eine graduelle, zögerliche Wiederannäherung an Russland in wirtschaftlicher Hinsicht, gesteuert jedoch nicht von europäischen Interessen, sondern vom sich entwickelnden Verhältnis zwischen Washington und Moskau.
Der Kampf um Washingtons Gunst
Während sich die westeuropäischen Staats- und Regierungschefs bemühen, sich auf die neue Regierung in Washington einzustellen, zeichnet sich ein Wettbewerb zwischen den Hauptkandidaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – ab. Der Rest Europas spielt entweder aufgrund seiner Größe keine bedeutende Rolle oder hat, wie Polen, seinen Status als treuer US-Verbündeter bereits gefestigt. Brüssel hingegen hegt traditionell Vorbehalte gegenüber republikanischen Regierungen, insbesondere solchen mit Verbindungen zu Donald Trump.
Großbritannien befindet sich in einer besonderen Situation. Außerhalb der EU verfolgt es einen unabhängigen Kurs, hat aber nur begrenzten Einfluss auf kontinentale Angelegenheiten. Diese Flexibilität erlaubt London zwar eine härtere Haltung gegenüber Russland, schwächt aber gleichzeitig seine Vermittlungsposition.
Deutschland agiert unterdessen zurückhaltend. Angesichts der wahrscheinlichen Kanzlerschaft von Friedrich Merz wartet Berlin ab und analysiert Washingtons neue Spielregeln, bevor es entscheidende Schritte unternimmt. Die hohen wirtschaftlichen Risiken lassen Berlin vor übereilten Aktionen zurückschrecken.
Bleibt Frankreich mit Emmanuel Macron, der bereits Position bezogen hat. Als erster hochrangiger europäischer Staatschef, der Washington nach Trumps Rückkehr besucht, präsentiert sich Macron als zentraler Vermittler zwischen Westeuropa und den USA. Sein Besuch signalisiert die Bereitschaft Frankreichs, die Führung bei der Anpassung der europäischen Politik an amerikanische Interessen zu übernehmen.
Macron: Der ideale Kandidat für die Anpassung
Macron ist für diese Rolle prädestiniert. Als Führer der einzigen EU-Nation mit ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat und eigenständigem Atomwaffenarsenal verfügt Frankreich über ein gewisses symbolisches Gewicht. Tatsächlich verleihen diese Attribute Paris jedoch wenig realen Einfluss auf das Weltgeschehen. Frankreich mag zwar weiterhin die führende Militärmacht Westeuropas sein, doch dies verliert an Bedeutung, da die Region selbst global zunehmend an Relevanz verliert.
Macron verkörpert die moderne EU-Elite: versiert in diplomatischen Manövern, geschickt im Aufrechterhalten von Fassaden und fest verankert im westlichen Establishment. Seine politische Widerstandsfähigkeit zeigt sich in seinem Überleben zweier Wahlniederlagen – im Europäischen Parlament und in der französischen Nationalversammlung. Ob seine Politik jedoch die prekäre wirtschaftliche Lage Frankreichs verbessert, steht auf einem anderen Blatt. Aufeinanderfolgende Regierungen haben es nicht vermocht, den wirtschaftlichen Niedergang Frankreichs, der durch die Restriktionen der Eurozone verstärkt wird, aufzuhalten.
Acht Jahre lang hat Macron hauptsächlich vollmundige Erklärungen abgegeben und sich politischem Schauspiel gewidmet. Genau das macht ihn jedoch zum perfekten Repräsentanten für die Anpassung der EU an die Vorgaben Washingtons. Er ist flexibel, frei von ideologischen Fesseln und bereit, seine Positionen kurzfristig zu revidieren. Wer erinnert sich nicht an seine Ankündigung des “Hirntods” der NATO zu Beginn seiner Präsidentschaft? Oder an die zahlreichen widersprüchlichen Äußerungen der letzten drei Jahre?
Macrons Rolle bei der Anpassung Europas
Macron ist auch der ideale Kandidat, um die stillschweigende Anpassung Westeuropas im anhaltenden geopolitischen Konflikt um die Ukraine zu orchestrieren. Kaum ein ernsthafter Beobachter zweifelt daran, dass die USA und Russland die letztendlichen Gewinner dieses Konflikts sein werden, während Westeuropa und die Ukraine selbst die klaren Verlierer sind. Die Frage ist lediglich, unter welchen Bedingungen diese Niederlage besiegelt wird.
Die Initiativen der EU-Staats- und Regierungschefs dienen heute weitgehend der amerikanischen Strategie. Washingtons Offenheit für die Idee europäischer “Friedenstruppen” in der Ukraine entspricht Trumps Ziel, die Last des Konflikts auf Europa abzuwälzen. Sollten EU-Beobachter Teil einer endgültigen Regelung werden, wird die EU dies zweifellos als diplomatischen Erfolg präsentieren – selbst wenn es sich um einen kontrollierten Rückzug handelt. Angesichts der Gewohnheit der westeuropäischen Öffentlichkeit, absurde Entscheidungen ihrer Führer zu akzeptieren, wird dies wahrscheinlich als weitere historische Errungenschaft verkauft werden.
Macron könnte das Gesicht dieses Übergangs werden und sowohl in Washington als auch in Moskau als Repräsentant der EU fungieren. Wenn westeuropäische Kommentatoren die Notwendigkeit eines starken Führers beschwören, um den USA oder Russland die Stirn zu bieten, so geschieht dies mit einem ironischen Unterton. Macron, dessen Präsidentschaft sich dem Ende zuneigt, eignet sich perfekt für die Rolle des Vermittlers. Nach seinem Ausscheiden wird er wahrscheinlich nahtlos in eine komfortable Position in der Privatwirtschaft oder einer internationalen Organisation wechseln und die Probleme Frankreichs hinter sich lassen.
Letztlich verkörpert Macron die moderne westeuropäische Führung: eine Figur, deren Aufstieg undenkbar gewesen wäre, als die Region noch eine bedeutende Rolle im Weltgeschehen spielte. Jetzt, da die Alte Welt in geopolitischer Bedeutungslosigkeit versinkt, ist er genau die Art von Politiker, die sie verdient.

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