Jewgeni Prigoschins Trollfabrik war gestern. Spätestens die spektakuläre Hinrichtung des kriminellen Multiunternehmers in einem explodierenden Flugzeug machte klar, dass man im Kreml nach neuen Köpfen und neuen Methoden suchte. Wie in anderen Geschäftsfeldern war Prigoschin auch im Medienbusiness der Mann für das Grobe.
Schon bald nach der Annexion der Krim 2014 hatten die Redaktionen führender westlicher Qualitätsblätter in den Kommentarspalten Trolle entdeckt, die stereotype prorussische Propaganda betrieben – oft in unbeholfener Rechtschreibung und mit holpriger Grammatik.
Bald konnte die Internet Research Agency in St. Petersburg als Züchtungsfarm falscher Social-Media-Profile identifiziert werden. Der finnischen Investigativjournalistin Jessikka Aro gelang es, Angestellte der Trollfabrik zu interviewen. Dabei gewann sie Einsicht in die Akkordarbeit, in der genaue Vorgaben über die Schaffung und Bewirtschaftung falscher Profile herrschten. Nachdem sie ihre Recherchen öffentlich gemacht hatte, wurde sie selbst Opfer von Trollattacken: Ihre Accounts wurden gehackt, Fotocollagen mit ihrem Porträt wurden veröffentlicht, sie erhielt Morddrohungen.
Publikationen wie denjenigen von Aro ist es zu verdanken, dass Prigoschins Medienstern sank. Zwar tummeln sich immer noch vereinzelt prorussische Trolle in den Kommentarspalten. Allerdings werden sie meistens unmittelbar von anderen Nutzern entlarvt und blossgestellt.
News, zugeschnitten auf «Russlandversteher»
Heute setzt der Kreml die neusten Technologien zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Westen ein. Im Jahr 2022 hat Russland nicht nur die Ukraine, sondern auch das europäische Mediensystem angegriffen. Russische Agenturen klonen bekannte westliche Medien und stellen Fake-Versionen mit prorussischer Berichterstattung ins Netz.
Im Visier befindet sich auch Deutschland, wo der Kreml die «Russlandversteher» zu erreichen versucht. Das Vorgehen ist perfid: Auf der Grundlage des Quellcodes der Websites von «FAZ», «Spiegel», «Welt», «Süddeutscher Zeitung» und anderen werden täuschend ähnliche «Doppelgänger» erstellt. Die Adresse der gefälschten Seite wird durch sogenanntes «typosquatting» nur geringfügig verändert, also etwa faz.ltd statt faz.de. Die gefälschte Web-Adresse wird durch Bots in den sozialen Netzwerken in Umlauf gebracht und beworben.
Zusätzlich werden Pseudo-Newsportale wie kaputteampel.com dutzendweise aus dem Boden gestampft. Die verbreiteten Inhalte bedienen immer dieselben Themen. So lauten die Überschriften etwa «Deutsche bitten um Hilfe, sie geht aber an die Ukraine» oder «Sanktionen gegen Russland ruinieren die deutsche Wirtschaft».
«Bundeskanzlerin» Scholz und Aussenministerin «Berbock»
Die gefälschten Inhalte in den Fake-Medien werden mittlerweile von KI erstellt. Die Sprache ist zwar korrekt, allerdings unterlaufen der Software peinliche Fehler, die auf maschinelle Übersetzungsroutinen aus dem Russischen zurückzuführen sind.
So ist in den gefälschten Artikeln immer wieder von der «Bundeskanzlerin» Scholz die Rede, weil im Russischen zwischen der männlichen und der weiblichen Form des «Kanzlers» nicht unterschieden wird und der Lernprozess der KI noch in der Ära Merkel steckengeblieben ist. Die deutsche Aussenministerin heisst oft «Berbock» – eine Rücktranskription der russischen Schreibweise von Baerbock.
Die Betreiber der Fake-Websites scheinen sich wenig um solche Patzer zu kümmern. Sie versuchen, die fehlende inhaltliche Qualität durch schiere Quantität zu kompensieren: Die medialen Dreckschleudern spucken im Stundentakt neue Texte aus.
ID 119338837 © Sharaf Maksumov | Dreamstime.com

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