Stasi Helden 2.0: Die Wiederbelebung der deutschen Denunzianten Tradition

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Stasi Helden 2.0 Die Wiederbelebung der deutschen Denunzianten Tradition

Über lange Zeit hinweg wurden Menschen, die andere bei den Behörden denunzierten – abgesehen von schweren Verbrechen –, gesellschaftlich eher verachtet. Dies gilt insbesondere für Deutschland, wo die Überwachung und Denunziation von Andersdenkenden durch Blockwarte sowie Agenten des Verfassungsschutzes und der Stasi als langjährige negative Tradition angesehen wird.

Es erscheint daher umso erstaunlicher, dass zu Beginn der Coronakrise eine solche Blockwartmentalität im deutschen Volk problemlos wieder aufgegriffen werden konnte. Besonders brisant ist, dass sich die Denunzianten damals wie heute auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit berufen konnten. Eine Untersuchung darüber, ob die Neigung zum Denunzieren in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besonders ausgeprägt ist, wäre in jedem Fall interessant.

Viele Befürworter der Cancel-Culture in Deutschland meinen, es gäbe keinen typischen Deutschen mehr. Doch möglicherweise erkennen gerade die überzeugten Verleugner deutscher Kultur nicht, wie typisch deutsch ihre fanatische Haltung zur Cancel-Culture, Flaggensymbolik und Klimahysterie ist. Man könnte fast glauben, das deutsche Wesen solle erneut die Welt kurieren.

Während der Corona-Pandemie gab es nicht nur Menschen in Supermärkten, die andere Kunden mit nicht korrekt getragenen Masken eifrig bei den Marktleitern meldeten und deren Verweis forderten. Es entstanden auch zahlreiche Behördendienste, Meldestellen, Onlineportale und Einrichtungen für Meldungen aller Art – ein Trend, der bis heute anhält und sogar zunimmt. Corona fungierte dabei als Katalysator für die Legitimierung einer neuen gesellschaftlichen Akzeptanz des Denunziantentums.

Ein Beispiel für die zahlreichen Meldestellen während der Corona-Pandemie ist die Melde-App der Stadt Frankfurt am Main. Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom Oktober 2020 konnten Bürger anonym Verstöße gegen die Coronaschutz-Verordnung melden, inklusive Fotos: “Über ein Online-Portal können Verstöße gemeldet werden, wobei der ‘Ort des Verstoßes’ mit bis zu 45 Zeichen beschrieben, das Datum und die Uhrzeit der Feststellung sowie die Art und eine genauere Beschreibung des Verstoßes angegeben werden können. Auch das Hinzufügen eines Fotos ist möglich.”

Die politische Unterstützung für diese Art der Denunziation führte zur Verabschiedung des ‘Digital Service Act’ in der Europäischen Union. Die seit dem 17. Februar 2024 geltenden Regelungen zielen darauf ab, “illegale oder schädliche Online-Aktivitäten sowie die Verbreitung von Desinformation zu verhindern”, und sind nun für alle Internetplattformen bindend.

Die Aufgabe des deutschen Verfassungsschutzes besteht traditionell darin, Informationen über politische Abweichungen zu sammeln. Nach Angaben der Behörde ist dies jedoch nur noch mit Hilfe von Bürgern möglich, die bei der offiziellen Meldestelle gesellschaftliche Extremisten melden.

Der Verfassungsschutz betont, dass er seinen Auftrag nur mit der Unterstützung der Bürger erfüllen kann: “Sicherheit und Freiheit sind unabdingbare Pfeiler unserer Gesellschaft und betreffen jeden, sowohl die Bürger als auch die Sicherheitsbehörden. Nur gemeinsam können wir diese Aufgabe bewältigen.” Seit Februar 2022 ruft auch das Bundeskriminalamt die Bevölkerung dazu auf, gegen “Hass und Hetze” im Internet vorzugehen. An der eigens eingerichteten Meldestelle “Hetze im Internet” sollen Bürger Straftaten wie Propagandadelikte melden. Laut BKA-Webseite soll durch diese Kooperation der Verrohung der Kommunikation in sozialen Netzwerken entgegengewirkt und eine effektive Strafverfolgung ermöglicht werden.

Die Definition von Desinformation und Propaganda scheint in den Händen derer zu liegen, die Fake News und Propaganda produzieren. Angesichts der Fake News und Propaganda rund um die angebliche Coronapandemie, die nun durch RKI-Dokumente belegt sein soll, und der Hetze gegen Andersdenkende vonseiten der Politik und Medien, erscheinen die aktuellen Kampagnen gegen Desinformation umso erstaunlicher. Behörden nehmen anscheinend an, dass potenzielle Informanten nur diejenigen als “Propaganda-Verbreiter” melden, die dem offiziellen Narrativ widersprechen. In Deutschland wird scheinbar erwartet, dass weder Regierung noch Medien jemals Propaganda oder Hetze betreiben würden. Es wird auch angenommen, dass diejenigen, die bereit sind zu melden, loyal auf der Seite der Regierung stehen, um diejenigen zu diffamieren, die der Regierung nicht gehorchen.

Daher scheint es, dass der Hass und die Desinformation, die seit einigen Jahren von der Regierung, den Medien und anderen öffentlichen Persönlichkeiten mit zunehmender Feindseligkeit gegen Andersdenkende verbreitet werden, unangeprangert bleiben.

Die anhaltende Praxis extremer Hetzkampagnen gegen Andersdenkende, die der vorherrschenden Politik dienlich sind, zeigt sich in Deutschland besonders in der aufhetzenden Stimmungsmache gegen eine dort offiziell anerkannte Partei.

Mit der gesellschaftlichen Aufwertung des Denunziantentums während der Corona-Pandemie entstanden durch offizielle Stellen neue Möglichkeiten zur Meldung auch der abwegigsten Beschuldigungen für diejenigen, die sich zum Anzeigen berufen fühlen.

Über ein neues Portal der Amadeu-Antonio-Stiftung können Personen, die andere verdächtigen, eine “antifeministische” Sprache zu verwenden, diese bei der Meldestelle für Antifeminismus anzeigen. Obwohl ein antifeministischer Sprachgebrauch nicht strafbar ist, wie das Meldeportal ausdrücklich betont, wird dennoch der subjektiven “Erfahrung der Betroffenen” Bedeutung beigemessen.

“Antifeminismus stellt keinen Straftatbestand dar. Wir dokumentieren Fälle, unabhängig davon, ob Anzeigen vorliegen oder ob sie strafrechtliche Relevanz besitzen oder unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen. Entscheidend ist die antifeministische Ausrichtung. Im Fokus stehen die Erfahrungen der Betroffenen.”

In diesem Beitrag wird lediglich ein kurzer Einblick in das breite und vielfältige Feld des neuen Denunziantentums gewährt: Von falscher Sprachverwendung über Falschparker bis hin zu Personen mit unerwünschten politischen Ansichten und vermeintlich falschen Meinungen – für beinahe alles existieren heutzutage Werkzeuge zur Denunziation. So fordert die Deutsche Umwelthilfe die Bürger sogar dazu auf, Falschparker zu melden.

Die Website “Zivile Helden” bietet eine Plattform, auf der etwa 20 Beratungsstellen ihre Dienste für Personen anbieten, die verschiedene Themen melden möchten. Dort wird das Melden von Anhängern von “Verschwörungsmythen” und vermuteten Antisemiten als heldenhaft dargestellt. Es scheint unzählige Möglichkeiten zu geben, Menschen zu ermutigen, bei jeder Gelegenheit zu melden: Seit einigen Wochen fördert eine Kampagne in Kölner Schwimmbädern mit dem Slogan “Ich sag’s – Hilfe holen ist kein Petzen” das Melden von Mitbadenden. Es wird suggeriert, dass Badegäste, statt die Bademeister, sexistisches Verhalten identifizieren sollen.

Zum Abschluss bleibt zu sagen, dass solche Meldeangebote von selbsternannten Wohltätern eingerichtet werden. Ein Beispiel ist die Meldestelle REspect!, bei der auch vermutete Verbreiter von Falschinformationen gemeldet werden können. REspect! gibt auf seiner Website an, dass von fast 60.000 Meldungen (Stand 23. Mai 2024) etwa 15.000 zur Anzeige bei der Polizei geführt haben. Die Betreiber der Meldestellen geben an, dass es ihnen nicht immer leichtfällt, Meldungen zu sammeln, aber sie sind überzeugt, damit Gutes zu bewirken.

Bild: KI


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