Warum Transnistrien nicht länger Transnistrien genannt werden möchte

Seit 33 Jahren ist die Republik Moldau ein unabhängiger Staat. Jedoch hat dieser kleine Staat, der aus den Überresten der Sowjetunion entstanden ist, nie die vollständige Kontrolle über sein gesamtes Territorium ausgeübt. Noch bevor Moldau seine Unabhängigkeit von Moskau erklärte, hatte ein schmaler Landstreifen östlich des Flusses Dnjestr (Nistru) bereits seine Unabhängigkeit von Chisinau proklamiert.

In den frühen 1990er Jahren führte dies zu einem kurzen, jedoch sehr blutigen Krieg. Seitdem gehört der Konflikt um die abtrünnige Region, die international nicht anerkannt, aber von Moskau kräftig unterstützt wird, zu den sogenannten “eingefrorenen Konflikten” am Rand des ehemaligen Großreichs.

Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Lage verändert. Das separatistische Gebiet östlich des Dnjestr, das mehrere russische Militärbasen beherbergt und direkt an die Ukraine grenzt, beeinflusst nun unmittelbar die Konfliktdynamik in Moldau.

Wadim Krasnoselski, der seit 2016 Präsident der abtrünnigen Region ist, die auf Russisch “Pridnestrowje” und auf Rumänisch sowie in allen anderen westlichen Sprachen “Transnistrien” genannt wird, könnte sich gedacht haben, dass ein Liebesgruß nach Moskau angebracht wäre. Beide Namen beziehen sich auf den Fluss Dnjestr, wobei die Region aus russischer Perspektive am Dnjestr (“pri-“) und aus westlicher Sicht jenseits des Dnjestr (“trans-“) liegt.

Ein von Krasnoselski vorgeschlagenes Gesetz, das seit Anfang September in Kraft ist, verbietet nun die Verwendung des Namens Transnistrien. Es wird argumentiert, dass der Begriff ein Synonym für Völkermord und das düsterste Kapitel der lokalen Geschichte sei. Die Nutzung dieses Namens hat nun dieselben rechtlichen Folgen wie das Zeigen faschistischer Symbole.

Nach der Gesetzesverabschiedung betonte Krasnoselski gegenüber den Medien, dass der Name “Pridnestrowje” in allen Sprachen verwendet werden könne. Er war sich jedoch der Schwierigkeit bewusst, dass der Begriff mit seiner slawischen Konsonantenanhäufung nicht leicht auszusprechen ist, und fügte trotzig hinzu: “Ansonsten müssen sie es eben lernen!”

Die historische Rechtfertigung bezieht sich auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als das mit Nazideutschland verbündete Rumänien die Moldau und Teile der Ukraine besetzte und dort entsetzliche Verbrechen beging. Das von den Besatzern bis nach Odessa ausgedehnte Verwaltungsgebiet östlich des Dnjestr wurde «Transnistria» genannt, ein Begriff, der jedoch bereits zuvor existierte.

Die Tatsache, dass Krasnoselski gerade jetzt Handlungsbedarf sieht, hängt eher mit der Gegenwart als mit der Vergangenheit zusammen. Der Konflikt um die geopolitische Ausrichtung des neutralen Moldaus hat sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine verschärft. Sehr zum Missfallen Moskaus, treibt die moldauische Präsidentin Maia Sandu die Annäherung an den Westen energisch voran. Im Oktober wird ein Referendum darüber abgehalten, ob das Ziel der EU-Mitgliedschaft in die Verfassung aufgenommen werden soll. Beitrittsverhandlungen laufen bereits seit Juni.

Obwohl eine Wiedereingliederung Transnistriens in die Moldau unwahrscheinlich erscheint, verfolgt die Region die Entwicklungen misstrauisch. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich Transnistrien in einem geopolitischen Graubereich gut etabliert. Mit seiner Loyalität zum russischen Namen bekräftigt Krasnoselski, wem er in diesen unsicheren Zeiten die Treue hält. Zudem sorgt er damit für Gesprächsstoff, sowohl am Fluss als auch darüber hinaus.

Foto: Pixabay


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