Junge Frauen in Bikinis tanzen auf dem Deck einer Jacht, heben ihre Gläser und lassen ihre Haare im Wind flattern. Einige Männer sind ebenfalls anwesend, lächeln breit, umarmen die Frauen und bewegen sich unbeholfen im Takt der Musik. Dies ist nur eines von vielen Videos, die auf TikTok mit dem Hashtag #Yachtgirls zu finden sind. Darunter steht geschrieben: „Die einfachen Freuden des Lebens: hübsche Frauen, das offene Meer und exquisiter Champagner.“

Die Szene scheint harmlos, die Menschen sorglos. Aber das Hashtag #Yachtgirls steht für eine Welt voller Geld, Macht und potenziellem Missbrauch. Es handelt sich um Models, die dafür bezahlt werden, auf Luxusyachten zu „feiern“.

Was wirklich auf diesen Jachten vor sich geht, ist oft ein Geheimnis. Selbst wenn das Internet Einblicke in die dahinterliegenden Geschichten gibt, bleibt vieles ungewiss, da die Beteiligten nicht darüber sprechen können. Eine anonyme Person beschreibt ihre Erfahrung in einem Forum folgendermaßen: „Man kommt sich vor wie ein Stück Fleisch. Es gibt nicht genug heißes Wasser, um das Gefühl der Unreinheit nach einem solchen Tag abzuwaschen.“

„Yacht Girls“ streben nach wertvollen Kontakten und einer erfolgreichen Karriere

Der Begriff “Yacht Girls” ist in den letzten Jahren immer wieder in Verbindung mit Glamour und Luxus aufgetaucht. Doch hinter der glitzernden Fassade verbirgt sich eine oft dunkle Realität. Ursprünglich tauchte der Begriff 2013 im Kontext der Filmfestspiele in Cannes auf und beschrieb ein Phänomen, das in der Branche als offenes Geheimnis galt: junge, aufstrebende Models und Schauspielerinnen, die auf luxuriösen Yachten reicher und einflussreicher Männer “platziert” wurden.

Im Gegensatz zu professionellem Bootspersonal bestand ihre Aufgabe nicht in der Schiffspflege, sondern darin, die männlichen Gäste zu unterhalten. Dabei ging es jedoch weit über die übliche Begleitung hinaus. Leicht bekleidet und oft gegen hohe Bezahlung, wurden sie in eine Welt gelockt, in der die Grenzen zwischen Unterhaltung und sexuellen Dienstleistungen fließend waren.

Die amerikanische Journalistin Dana Kennedy bezeichnete “Yachting” treffend als eine Art gehobenes Synonym für Prostitution auf See. Doch im Gegensatz zu klassischen Escort-Diensten waren die “Yacht Girls” oft junge Frauen am Anfang ihrer Karriere, denen nicht nur Geld, sondern vor allem wertvolle Kontakte in der Unterhaltungsbranche versprochen wurden.

Die Hoffnung auf den großen Durchbruch lockte viele in dieses Milieu. Laut Kennedy ist es erschreckend häufig, dass Frauen sich ihren Weg zum Ruhm auf diese Weise zu “erjachten” versuchen. Die französisch-amerikanische Schauspielerin Carole Raphaelle Davis bestätigte dieses Bild und betonte, dass viele bekannte Prominente und Socialites in ihren frühen Jahren als hochpreisige Begleitpersonen gearbeitet hätten.

In diesem Zusammenhang tauchen immer wieder Namen bekannter Supermodels auf. Ob Bella und Gigi Hadid, Kendall Jenner oder Miranda Kerr tatsächlich als “Yacht Girls” tätig waren, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Doch die zahlreichen Fotos, die sie auf luxuriösen Yachten zeigen, insbesondere in einer Zeit, in der sie ihren Lebensstandard möglicherweise noch nicht allein finanzieren konnten, nähren diese Vermutung. Für viele Beobachter sind diese Bilder ein Beleg dafür, dass “Yachting” in der Filmbranche eine Art Karrieresprungbrett darstellt.

2007 wurde ein Prostitutionsring beim Filmfestival aufgedeckt

Nun, das Feiern auf Jachtpartys gegen Bezahlung ist nicht automatisch mit Prostitution gleichzusetzen. Allerdings scheint eine fließende Grenze zu bestehen, wie die Journalistin Dana Kennedy treffend beschreibt: “Die Grenze zwischen professionellen Prostituierten und Hollywoods B- oder C-Schauspielerinnen, die Bezahlung gegen Sex annehmen, ist teilweise sehr schwammig.”

Dass das Phänomen der “Yacht Girls” mehr als nur ein Gerücht ist, wurde spätestens mit der Festnahme des libanesischen Geschäftsmanns Elie Nahas im Jahr 2007 deutlich. Nahas, der als enger Vertrauter des libyschen Diktator-Sohns Mutassim Ghadhafi auch den Spitznamen “Ghadhafi’s Pimp” trug, war Inhaber einer Modelagentur. Mit seiner Verhaftung flog ein ganzer Prostitutionsring auf, der während der Filmfestspiele in Cannes operierte. Nahas vermittelte die Dienste von Escorts, Models und Schönheitsköniginnen an wohlhabende Männer und wurde dabei ertappt, wie er acht Frauen, darunter eine Minderjährige, am Flughafen in Paris begleitete.

Der Anwalt einer französischen Antiprostitutionsorganisation, die als Zivilklägerin auftrat, enthüllte, dass viele dieser Frauen unter falschen Versprechungen nach Cannes gelockt wurden und nicht über die wahren Umstände informiert waren.

Nahas selbst bestritt zwar, einen Prostitutionsring betrieben zu haben, räumte jedoch ein, Frauen für das Festival nach Cannes eingeflogen zu haben. Er gab offen zu, dass Sex ein lukratives Geschäft während des Festivals sei und schätzte, dass auf den zahlreichen Luxusjachten im Hafen jeweils etwa zehn Frauen, meist Models, beschäftigt seien. Die attraktivsten unter ihnen könnten bis zu 40.000 Dollar pro Nacht verdienen.

Seine Aufgabe bestand darin, die Frauen vom Flughafen abzuholen und zu den Jachten zu bringen. Was dort geschah, wollte er nicht genau wissen, behauptete aber, es handle sich lediglich um Unterhaltung.

Das Phänomen des „Yacht Girls“ hat sich zu einem Trend auf TikTok entwickelt

Der Skandal um Elie Nahas bei den Filmfestspielen ist nun 17 Jahre her. Seitdem hat die #MeToo-Bewegung die Unterhaltungsindustrie tiefgreifend beeinflusst und ein Bewusstsein für Machtstrukturen geschaffen. Dennoch hat sich am Treiben der „Yacht Girls“ scheinbar wenig geändert. Mehr noch, dieses Phänomen ist nicht mehr nur auf Cannes beschränkt, sondern hat sich zu einem Trend in den sozialen Medien entwickelt.

Auf der einen Seite gibt es zahlreiche Videos, die das Leben als “Yacht Girl” verherrlichen:

Sie porträtieren ein luxuriöses Leben, das für die meisten Nutzer unerschwinglich wäre.

Andererseits teilen Frauen in sozialen Medien und Foren immer wieder ihre teils beunruhigenden Erfahrungen als “Yacht Girls”. Auf Nachfrage möchten sich jedoch keine näher dazu äußern. Dies ist oft darauf zurückzuführen, dass die Beteiligten üblicherweise sogenannte “Non-Disclosure Agreements”, also Geheimhaltungsvereinbarungen, unterzeichnen müssen.

Daher beschränken sich die Berichte meist auf sogenannte “Blind Items”: anonyme Beiträge in Foren und sozialen Medien. Einer der bekanntesten Berichte über “Yacht Girls” stammt von einem anonymen Forumseintrag einer Schauspielerin. Wie bei fast allen “Blind Items” lässt sich dieser nicht verifizieren. Die Frau beschreibt darin, wie sie durch eine Kollegin zum “Yachting” kam, nachdem ihre Fernsehserie abgesetzt wurde.

Über die Männer an Bord sagt sie: “Im Wasser wurden wir unsittlich berührt. Und wenn wir aus dem Wasser stiegen, wollten sie mit uns duschen. Wenn eines der Models auf der Party ohnmächtig wurde, betatschten sie es und filmten alles. Es war wie ein stundenlanger Übergriff, der aufgezeichnet wurde.”

Enthüllung einer berühmten „Yacht-Dame“

Mehrere Personen aus der Unterhaltungsindustrie haben ähnliche Geschichten aus der Welt der Luxusjachten bestätigt. Emily Ratajkowski ist eine der wenigen Prominenten, die zugegeben hat, ein “Yacht Girl” gewesen zu sein. In ihrem Buch “My Body” beschrieb das Model 2021, wie sie Geld verdiente, indem sie an Partys reicher Männer teilnahm, in Clubs, auf Festivals und auf Jachten.

Sie schrieb: “Ich fragte, wann ich gehen dürfte. Er blickte auf seine Uhr und sagte: ‘Wahrscheinlich noch ein paar Stunden.’ Mir wurde klar, dass ich nicht frei war zu kommen und zu gehen, wie ich wollte.”

Mit ihren Memoiren löste Ratajkowski viele Spekulationen darüber aus, wer als “Yacht Girl” gearbeitet haben könnte. Sie beschrieb zwar andere Frauen, nannte aber keine Namen. Allerdings teilte Ratajkowski 2017 mehrere Videos auf Instagram, in denen sie mit den Models Bella Hadid und Hailey Baldwin auf einer Jacht feierte – während des Filmfestivals in Cannes.

Einen Geschäftsmann, der als Kunde an Jachtpartys teilgenommen hat, nannte sie jedoch beim Namen: den malaysischen Investor und Jachtbesitzer Jho Low, der mittlerweile als Finanzbetrüger verurteilt wurde.

Jho Low war dafür bekannt, Beziehungen zu verschiedenen It-Girls zu unterhalten. 2010 wurde er beispielsweise beim Feiern mit Paris Hilton in Cannes fotografiert. Medienberichten zufolge soll das Model Kendall Jenner 2019 seinen Geburtstag auf Jho Lows Jacht gefeiert haben.

Sind Jachten ein Bereich der Gesetzlosigkeit?

Emily Ratajkowski hat öffentlich gemacht, wie sie in ihrer Karriere immer wieder in Situationen geraten ist, in denen sie sich unsicher und ausgeliefert gefühlt hat. Sie wurde von ihrem Manager zu Events geschickt, bei denen sie nicht wusste, was sie erwarten sollte. Später bezeichnete sie einige dieser Erlebnisse als sexuelle Übergriffe. Doch diese Situationen seien oft nicht eindeutig gewesen, so Ratajkowski.

Genau diese Unsicherheit ist ein zentrales Problem des Phänomens “Yacht Girls”. Viele Berichte deuten darauf hin, dass Frauen oft nicht genau wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie auf eine solche Yacht steigen. Die Grenze zwischen einem Modeljob und einer Situation, die an Prostitution grenzt, ist fließend, und die Gefahr sexueller Übergriffe ist allgegenwärtig.

Die Isolation auf einer Yacht inmitten des offenen Meeres verstärkt dieses Problem. Internationales Gewässer gelten oft als rechtlicher Graubereich, in dem Übergriffe leichter vertuscht werden können. Ein ehemaliger Jachtangestellter beschrieb in einem Interview mit “Vice” die Atmosphäre auf vielen Yachten als “Spielplatz”, auf dem alles erlaubt sei. Sexuelle Übergriffe seien keine Seltenheit und Opfer würden oft eingeschüchtert oder finanziell abgefunden.

Dieser düstere Schatten wirft sich auf eine Welt, die in den sozialen Medien oft ganz anders dargestellt wird: glitzernd, luxuriös und verführerisch. Bilder von Frauen, die mit Champagner in der Hand auf dem Deck einer Yacht posieren, vermitteln den Eindruck eines perfekten Lebens. Doch hinter dieser Fassade lauern oft gefährliche Realitäten.

Bild: ID 311125787 © Veranika Semchanka | Dreamstime.com


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