Die Europäische Zentralbank verfügt über ein Instrument, das im Falle einer Finanzkrise nach den heutigen Wahlen in Frankreich eingesetzt werden könnte. Es bleibt jedoch ungewiss, ob dieses Instrument tatsächlich zum Einsatz kommt, sollten sich die Finanzmärkte gegen Frankreich stellen.
Jean-Claude Juncker, der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, verwendete 2016 die Worte “Weil es Frankreich ist”, um die Entscheidung zu verteidigen, Frankreich erneut eine Ausnahme von den Haushaltsregeln zu gewähren. Diese Nachsicht könnte sich jedoch ändern, wenn die Wahlen am 30. Juni in Frankreich eine europaskeptische, rechtsextreme Regierung an die Macht bringen. Experten warnen, dass eine solche Konfrontation mit Brüssel die gesamte Währungsunion destabilisieren und den Euro schwächen könnte. Bruno Le Maire, der französische Finanzminister, warnt sogar vor einer möglichen Finanzkrise als Folge der Neuwahlen.
Die Risiken französischer Staatsanleihen steigen, wie Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Liechtenstein, erläutert: “Die Unsicherheit auf den Finanzmärkten hat zugenommen, was sich am Kurs des Euro und an den Risikoprämien für französische Staatsanleihen zeigt.” Nach der Ankündigung von Neuwahlen erhöhten sich die Risikoprämien (Spreads) französischer Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit um bis zu 30 Basispunkte. “Damit erreichten die Spreads den höchsten Stand seit der europäischen Schuldenkrise 2011.”
Die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen hat zugesagt, die im EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Regeln einzuhalten. Allerdings ist ungewiss, ob die kostspieligen Ausgabenpläne ohne Verletzung der EU-Schuldenregeln umsetzbar sind. Es bleibt auch fraglich, ob die Europäische Zentralbank (EZB) eingreifen muss, falls sich die Finanzmärkte gegen Frankreich stellen. Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, warnt vor diesem Szenario: “Sollte ein Land die Regeln missachten und auf Hilfe der Zentralbank setzen, könnten viele Zweifel am künftigen Wert und der Einheit des Euro entstehen.”
Die Europäische Zentralbank (EZB) verfügt über ein noch ungenutztes Anleihenkaufprogramm, das “Transmission Protection Instrument” (TPI) genannt wird, welches zur Unterstützung von Ländern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, eingesetzt werden kann. Dieses Instrument ermöglicht es der EZB, durch gezielte Ankäufe von Staatsanleihen Frankreich zu unterstützen und ein Auseinanderdriften der Finanzierungskosten der Euro-Länder zu verhindern. Allerdings setzt der Einsatz des TPI voraus, dass die betroffenen Länder die EU-Haushaltsvorgaben erfüllen.
Philip Lane, der Chefökonom der EZB, hat gegenüber Reuters erklärt, dass die Bewegungen auf dem französischen Anleihemarkt nicht als “ungeordnet” erscheinen, was bedeutet, dass sie nicht die Kriterien für eine Intervention der Zentralbank erfüllen. Ewald Nowotny, ein ehemaliges Mitglied des EZB-Rates aus Österreich, stellt sich jedoch vor, dass die EZB eingreifen könnte, wenn die Situation ernst wird: “Es gibt natürlich die Möglichkeit, dass Frankfurt eingreift, wenn die Probleme in Frankreich negative Auswirkungen auf andere Länder wie Italien haben würden.”
Photo 245726828 © Xphi36 | Dreamstime.com
Werden Sie Teil unserer Community und unterstützen Sie uns! Sie können uns in den Sozialen Netzwerken am besten auf Telegram oder solange verfügbar X oder Facebook folgen, um unsere Inhalte zu empfangen. Oder noch besser melden Sie sich für unseren Newsletter an, um die Neuigkeiten des Tages zu erhalten.
Gerne können Sie auch Premium-Mitglied werden oder uns durch eine wirklich hilfreiche Spende unterstützen. Herzlichen Dank im voraus!
Abonnieren Sie unseren Newsletter