Die Illusion der Wahl: Wenn Sklaven ihre eigenen Herrscher krönen

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Die Illusion der Wahl: Jeder Wähler wählt seinen eigenen Herrscher
Bild: KI

Oft wird Nichtwählern vorgeworfen, ihre Stimme zu “verschenken”, als würde diese verfallen oder automatisch der stärksten Partei zugeschlagen. Diese Sorge ist auf den ersten Blick verständlich, da unser Wahlsystem keine Möglichkeit bietet, auf dem Stimmzettel explizit zu erklären, dass man keine der zur Wahl stehenden Parteien unterstützen möchte, sich aber dennoch nicht von einer ungewählten Partei regieren lassen will. Dass dieser Mangel an Wahlfreiheit kaum thematisiert wird, ist bemerkenswert und deutet darauf hin, dass diese Option im Bewusstsein vieler Menschen nicht mehr existiert.

Ich persönlich kann mich mit diesem System nicht identifizieren. Ich bin nicht bereit, meine Stimme einer Partei zu geben und damit einer Gruppe von Menschen die Legitimation zu erteilen, über mich zu bestimmen. Wer hat überhaupt das Recht dazu? Da ich nicht glaube, dass irgendjemand das Recht hat, über andere zu herrschen, werde ich an diesem System nicht durch meine Stimmabgabe teilnehmen. Denn mit meiner Stimme würde ich eine Partei legitimieren, Macht auszuüben, und Macht impliziert immer das Potenzial für Zwang.

Natürlich gibt es in den Programmen verschiedener Parteien einzelne Aussagen, mit denen ich mich identifizieren kann, und manchmal stimmen wir in bestimmten Punkten sogar überein. Doch politische Aussagen sind oft nur Versprechen, die nach der Wahl aufgrund der politischen Realität und notwendiger Kompromisse entweder vergessen oder so stark verändert werden, dass vom ursprünglichen Inhalt kaum etwas übrig bleibt. Selbst wenn es einzelne Punkte gibt, denen ich zustimmen könnte, und andere Punkte in den Programmen anderer Parteien vielleicht besser zu meinen Überzeugungen passen würden, bleibt das grundlegende Problem der Stimmabgabe bestehen: Ich als Nichtwähler gebe meine Stimme nicht ab – ich entscheide mich bewusst dagegen. Ich weigere mich, mich von irgendeiner Partei oder einer sich pseudolegitimierenden Gruppe beherrschen zu lassen. Ich bin ein freier Mensch und werde als solcher geboren und sterben. Ich gehöre niemandem, und niemand hat das Recht, über mich zu herrschen.

Wer einer Partei seine Stimme gibt, akzeptiert seine Position als jemand, der sich kontrollieren lässt. Nach der Stimmabgabe hat ein Wähler kein direktes Wahlrecht mehr. Beschwert er sich über die nachfolgende Politik, wird oft erwidert: “Du hast deine Stimme abgegeben.” Eine Partei ist an die Macht gekommen, vielleicht die gewählte, vielleicht eine andere – das spielt keine Rolle. Mit der Stimmabgabe hat der Wähler sein Recht abgegeben; er ist kein freier Mensch mehr im Sinne der direkten politischen Mitbestimmung. Jeder Wähler wählt seinen Herrscher selbst. Wo es einen Herrscher gibt, da wird auch jemand beherrscht. Sklaven werden beherrscht, Sklaven dienen dem Herrscher. Die Annahme, dass nach der Wahl die Herrscher dem Volk dienen werden, ist absurd; kein Herrscher dient jemals einem Sklaven.

Der Versuch, Nichtwähler als schwer diskreditierbare Menschen darzustellen, ist genauso formalistisch wie die Montagsdemonstrationen als rechtsradikale Veranstaltungen zu bezeichnen. Ein großer Teil der Nichtwähler besteht aus Menschen, die erkannt haben, dass die Wahl einer Partei im Grunde nichts ändert. Diese Menschen sind enttäuscht und haben die Illusion verloren, dass Politiker etwas für sie tun würden. Sie haben erkannt, dass Politiker primär ihre eigenen Interessen verfolgen – sie sind Parasiten, die auf Kosten anderer leben.

Ein wachsender Teil der Nichtwähler besteht aus Menschen, die nicht länger bereit sind, irgendjemandem ihre Stimme zu geben. Sie haben erkannt, dass jede Wahl einer Willenserklärung gleichkommt, einen Herrscher über sich und andere zu bestimmen und damit ihr Dasein als “Sklave” zu fristen. Nur ein sehr kleiner Teil der Menschen glaubt noch daran, dass Wahlen etwas verändern würden. Diese Menschen sind manipuliert und haben ein geringes Selbstwertgefühl. Sie glauben, ohne eine starke Führung, die ihnen Anweisungen gibt, nicht überleben zu können. Leider hält dieser kleine Rest die Illusion einer demokratischen Gesellschaft aufrecht. Man kann ihnen ihre Unwissenheit kaum vorwerfen, doch sie tun den Enttäuschten und den bewussten Nichtwählern Gewalt an, indem sie immer wieder eine Gruppe von Parasiten in ihrem Glauben bestärken, Herrscher über andere sein zu können.


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