In Österreich soll künftig die Überwachung von verschlüsselten Nachrichten möglich sein

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In Österreich soll künftig die Überwachung von verschlüsselten Nachrichten möglich sein

Bei “verfassungsgefährdenden Angriffen” ist geplant, Überwachungssoftware auf den Handys Verdächtiger zu installieren.

Ein Gesetzesentwurf für eine neue Version des Bundestrojaners zirkuliert bereits seit einiger Zeit in der türkis-grünen Koalition. Nun soll dieser Entwurf, kurz vor der Nationalratswahl Ende September, in die öffentliche Begutachtung gelangen. Die ÖVP verlangt neue Befugnisse für die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) blieb im ORF-Sommergespräch am Montag kritisch, signalisierte jedoch grundsätzliche Offenheit. Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig sprach sich am Dienstag ebenfalls positiv aus.

Die Argumente für die Überwachung von Messengern sind weitgehend bekannt: Terroristen und kriminelle Netzwerke nutzen vorwiegend verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal und Telegram, die sich mit konventionellen Methoden wie dem Abhören von Mobilfunkdaten nicht überwachen lassen. Österreichische Behörden sind daher oft auf Informationen ausländischer Geheimdienste angewiesen, so auch im Fall des vereitelten mutmaßlichen Terroranschlags auf die Konzerte von Taylor Swift in Wien.

Die Überwachung verschlüsselter Nachrichten ist ein heikles Thema, insbesondere aus verfassungsrechtlicher Sicht. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat im Jahr 2019 den geplanten Bundestrojaner aufgrund von “schwerwiegenden Eingriffen in die Privatsphäre” für unzulässig erklärt und abgelehnt. Das Konzept war zu weitreichend, da es eine vollständige Überwachung von Handys oder Laptops ermöglicht hätte, was den Behörden Einblicke in höchst private Lebensbereiche erlaubt hätte. Außerdem hätte der Bundestrojaner auch viele unbeteiligte Personen betroffen.

Gezielter Zugriff auf Apps

Der VfGH hat die Möglichkeit einer intensiveren Messenger-Überwachung grundsätzlich offengelassen. Nach dem Höchstgericht ist eine solche Überwachung “nur innerhalb sehr enger Grenzen zum Schutz bedeutender Rechtsgüter erlaubt”. Das impliziert, dass die Überwachung von Messengern gestattet sein könnte, sofern die Privatsphäre der Betroffenen besonders berücksichtigt wird. Der Gesetzesentwurf des Innenministeriums soll diesen Anforderungen entsprechen – aber was genau ist geplant?

Einem Gesetzestext zufolge, der dem STANDARD vorliegt, soll es künftig möglich sein, Nachrichten zu überwachen, die verschlüsselt gesendet, übermittelt oder empfangen werden, indem ein Programm in das Computersystem des Betroffenen eingebracht wird. Dies ist nur zulässig, wenn die Überwachung erforderlich ist, um einen verfassungsgefährdenden Angriff zu verhindern, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Die Technologie darf auch bei Spionage, die Österreich schadet, eingesetzt werden.

Die Behörden müssen vor einer Ermittlungsmaßnahme den Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium konsultieren und eine Genehmigung des Bundesverwaltungsgerichts erhalten. Der Entwurf sieht vor, dass Ermittler nur die Chats und nicht das gesamte Handy auslesen dürfen. Es muss technisch gewährleistet sein, dass nur Nachrichten überwacht werden, die innerhalb eines genehmigten Zeitraums gesendet oder empfangen wurden. Nach Abschluss der Überwachung muss das Programm der Ermittler entfernt oder deaktiviert werden.

“Technische Frage”

“Der Gesetzesentwurf sieht rechtliche Vorkehrungen vor, die es den Behörden erlauben, nur bestimmte Chatnachrichten auszulesen”, erklärt Raphaela Bauer-Raschhofer, Strafrechtlerin an der WU Wien. “Es bleibt jedoch die Frage, ob dies umsetzbar ist.” Es muss technisch gewährleistet sein, dass nur auf spezifische Daten im Handy zugegriffen wird. “Hier liegt die Herausforderung”, so die Juristin.

Um an die Messenger-Apps heranzukommen, müsste als erster Schritt das Smartphone vollständig entsperrt werden. Anschließend würde der Zugriff auf das System so konfiguriert, dass nur bestimmte Apps überwacht werden. Nach dem Gesetzesentwurf soll der Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium die Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen überwachen und die Möglichkeit haben, die Tätigkeit der Behörden fortlaufend zu prüfen.

“Keine Totalüberwachung”

Die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes betrachtet gezielte Chat-Überwachung als grundsätzlich verfassungskonform. Die technischen Möglichkeiten haben sich ebenfalls gewandelt. Die verfügbare Überwachungssoftware auf dem Markt ist nun “viel spezifischer auf Chatnachrichten ausgerichtet” und nicht mehr auf das gesamte Mobiltelefon anwendbar. Es handelt sich also nicht mehr um eine “Totalüberwachung” des Handys, wie der Ausdruck “Bundestrojaner” suggeriert.

Zerbes, die auch Vorsitzende der Kontrollkommission des Staatsschutzes ist, kennt “die Grenzen des Entwurfs” und sieht den Einsatz der Messenger-Überwachung bei schweren Verbrechen wie geplanten Terroranschlägen als “sinnvoll” an, wie sie kürzlich in der ZiB 2 erläuterte. Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, wird letztlich wohl der Verfassungsgerichtshof entscheiden müssen – sofern der Entwurf überhaupt verabschiedet wird.

Die Opposition auf Bundesebene ist bisher dagegen, und es scheint, als könnte sich auch bei den Grünen verstärkter Widerstand formieren. “Mit dem aktuellen Entwurf habe ich große Schwierigkeiten, zuzustimmen”, äußerte der grüne Sprecher für Landesverteidigung, David Stögmüller, in der Mittwochausgabe der Presse.

Bild: Grok


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