Keine Schiffe werden mehr kommen – wie die Angriffe der Huthi-Rebellen auf die Schifffahrt im Roten Meer den Handel beeinträchtigen

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Keine Schiffe werden mehr kommen – wie die Angriffe der Huthi-Rebellen auf die Schifffahrt im Roten Meer den Handel beeinträchtigen

Seit Monaten führen die jemenitischen Huthi Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer durch, was die Schifffahrtsbranche in die größte Krise seit der Corona-Pandemie stürzte. Am meisten leiden jedoch die Jemeniten selbst, wie ein Besuch in Aden offenbart.

Fahdeh al-Hujaili, der stellvertretende Generaldirektor des Hafens von Aden, erklärt, dass man es schon zuvor nicht leicht hatte. «Doch seit Oktober hat sich die Situation dramatisch verschlechtert», sagt er in seinem klimatisierten Büro eines modernen und makellosen Verwaltungsgebäudes.

Draußen lässt die Mittagssonne den Kai glühen. Vier massive Kräne erstrecken sich unbewegt in den klaren blauen Himmel. Einige Männer in gelben Warnwesten stehen umher. Lediglich zwei Schiffe liegen am Kai. Es handelt sich um Zubringerschiffe, die einige wenige Container entladen, bevor sie ihre Fahrt nach Dubai oder Dschibuti fortsetzen.

Aden, die Hafenstadt im äußersten Süden des Jemens, erlebt einen langanhaltenden Niedergang. Zuerst waren es Piraten im benachbarten Somalia, dann folgte ein Bürgerkrieg, der Teile der Stadt in Trümmer legte und dessen Auswirkungen im Hinterland bis heute andauern. Als ob dies nicht genug wäre, bedrohen nun auch die islamistischen Huthi-Milizen aus ihrer Basis im Norden des Jemens die Schifffahrt im Roten Meer.

Die gefürchtetsten Piraten der Welt

„Seitdem die Huthi Jagd auf Schiffe machen, kommt fast niemand mehr in den Hafen von Aden“, erklärt Hujaili, während er einen Schluck Kaffee nimmt. Die von seinem Team vorgelegten Zahlen bestätigen dies: Der Hafen verzeichnete in diesem Jahr einen Rückgang des Tonnageumschlags um 50 Prozent. Doch die Huthi schaden nicht nur seinem Geschäft, betont Hujaili. „Sie schaden uns allen – den Jemeniten und der ganzen Welt.“

Noch vor Kurzem waren die Huthi lediglich eine obskure, streng islamistische Schiitenmiliz, die im Chaos des jemenitischen Bürgerkriegs 2015 die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa erlangte. Inzwischen jedoch haben sich die Milizionäre aus dem entlegenen Südarabien zu den gefürchtetsten Piraten der Welt entwickelt.

Seit Oktober attackieren die vom Iran unterstützten Kämpfer aus Solidarität mit den belagerten Palästinensern in Gaza regelmäßig Schiffe im Roten Meer. Sie greifen Handelsschiffe mit Drohnen und Raketen an. Ein Frachtschiff wurde sogar samt Besatzung in ihr Territorium verschleppt. Die Huthi nehmen auch die Vereinten Nationen ins Visier: Erst letzte Woche stürmten sie das UN-Büro in Sanaa, nachdem sie bereits zuvor etwa ein Dutzend lokaler Mitarbeiter entführt hatten.

Obwohl die Amerikaner und ihre Verbündeten versuchen, den Huthi mit Luftangriffen Einhalt zu gebieten, lassen diese sich kaum beeindrucken. Im Gegenteil, der Konflikt droht sogar zu eskalieren. Nachdem die Huthi kürzlich eine Drohne auf Tel Aviv abgefeuert hatten, führte Israel Luftangriffe auf Huthi-Positionen und ihren Hafen in Hodeida durch.

Neun von zehn Schiffen meiden die Region

Die Auswirkungen dieses Seekriegs spüren nicht nur Hujaili und seine Männer im Hafen von Aden. Die Gewässer vor der Küste Jemens sind Teil der weltweit wichtigsten Handelsroute, die von Asien nach Europa führt. Sie passiert das Tor der Tränen am südlichen Zipfel Arabiens, verläuft durch das Rote Meer und den Suezkanal bis ins Mittelmeer.

Einst befuhren zahlreiche Fracht- und Tankschiffe diese Route, doch heute ist das Meer zwischen Arabien und Afrika fast leer. “Aktuell meiden neun von zehn Schiffen das Rote Meer”, erklärt Peter Sand von Xenata, einer internationalen Schifffahrts-Analysefirma. Die Angriffe der Huthi-Krieger hätten die globale Transportindustrie in die tiefste Krise seit der Corona-Pandemie gestürzt, so der Experte.

Mittlerweile wählen fast alle Handelsschiffe auf dem Weg von Asien nach Europa den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung, wobei sie Afrika umrunden. Diese Route dauert nicht nur drei Wochen länger, sondern ist auch kostspieliger. “Normalerweise liegen die Transportkosten eines Containers von Asien nach Europa zwischen 1000 und 2000 Dollar”, sagt Sand. “Jetzt zahlt man bis zu 8000 Dollar.”

Doch explodierende Kosten sind nicht das einzige Problem. Der Umweg verursacht auch Chaos und Verzögerungen. Die Schiffe sind aufgrund der längeren Reisezeiten voll ausgelastet. “Viele Reedereien entladen ihre Waren nun im westlichen statt im östlichen Mittelmeer, von wo aus sie weitertransportiert werden”, so Sand. “Daher sind die Kapazitäten in Häfen wie Barcelona ausgeschöpft.”

Am meisten leidet Jemen selbst

Insbesondere Branchen, die auf reibungslose Lieferketten angewiesen sind, spüren die Auswirkungen. In der Autoindustrie kam es bereits im letzten Winter zu erheblichen Verzögerungen, berichtet Sand. Die Kosten werden oft auf den Endverbraucher umgelegt, während Reedereien von den hohen Preisen profitieren.

Der Handelskrieg der Huthi verursacht jedoch die größten Schäden nicht im Westen, sondern in den angrenzenden arabischen Ländern. In Ägypten beispielsweise reißen die ausbleibenden Einnahmen aus dem Suezkanal ein weiteres Loch in die bereits leere Staatskasse. Auch der Libanon, dessen Wirtschaft nach Jahren der Krise am Boden liegt, sieht sich mit noch höheren Importkosten konfrontiert.

Am stärksten leidet jedoch der Jemen selbst – ein Land, das bereits von extremer Armut geprägt ist, wo ein Bürgerkrieg, Seuchen und Hungersnöte im letzten Jahrzehnt fast eine halbe Million Menschenleben gefordert haben. “Wir spüren die Auswirkungen in allen Bereichen”, sagt Mohammed Shadli, der stellvertretende Gouverneur von Aden, bei einem Treffen in einem der wenigen noch geöffneten Hotels der Stadt.

Hafen und Flughafen sind für das Überleben von Aden und des Umlandes von entscheidender Bedeutung, erklärt der Politiker. “Wenn der Hafen nicht mehr angefahren werden kann, gehen bei uns die Lichter aus.” Der Jemen leidet bereits unter einer rasanten Inflation. Ein Unternehmer aus Aden berichtet, dass er mittlerweile viel Geld aufwenden muss, um überhaupt Waren ins Land zu bringen.

Aden ist ein trauriger Ort

In der Stadt Aden kommt es häufig zu Stromausfällen, teilweise aufgrund des Mangels an Ersatzteilen für das Kraftwerk. Die wenigen funktionstüchtigen Krankenhäuser müssen Medikamente und medizinische Geräte über Hunderte von Kilometern durch die Wüste aus Saudi-Arabien importieren. In der belagerten Stadt Taiz, wo die Huthi den nördlichen Teil kontrollieren, ist die Versorgungssituation noch prekärer. Eine neue Versorgungsroute könnte zwar genutzt werden, doch ihr Startpunkt, der Hafen von Mokka am Roten Meer, ist stark von Huthi-Angriffen betroffen.

Weitere Herausforderungen sind Sanktionen der USA gegen die Huthi, die Engpässe und Verzögerungen verursachen. Zudem behindern interne Konflikte die jemenitische Regierung, eine lose Koalition aus Milizenführern und Stammesoberhäuptern mit oft gegensätzlichen Interessen und ausländischen Allianzen, die sich gegenseitig bekämpfen, anstatt gemeinsam Lösungen zu finden. Dies hat Aden in einen düsteren Ort verwandelt, geprägt von narbigen Häusern und Ruinen aus den Kämpfen von 2015, als die Huthi vergeblich versuchten, die Stadt einzunehmen. Seitdem wurde wenig repariert.

Den Betrieb immer aufrechterhalten

Aden kann auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war die Handelsmetropole eine angesehene britische Kronkolonie, gelegen auf dem Seeweg zwischen Indien und London. Eine bedeutende Marinebasis der Royal Navy war hier angesiedelt. „Zu jener Zeit verfügten wir über einen der wichtigsten Häfen der Welt“, erinnert sich Hujaili, der aktuelle Hafendirektor.

Die Voraussetzungen dafür sind nach wie vor vorhanden. Aden liegt strategisch günstig am Eingang des Roten Meeres. Die Stadt, geschützt in einer Bucht und von den Felsen eines erloschenen Vulkans umgeben, die wie die Wände einer natürlichen Festung emporragen, bietet natürlichen Schutz für Schiffe gegen Wind und Wetter.

Ungeachtet der Schwierigkeiten sind die Mitarbeiter stolz auf ihren Hafen, der in den 1990er Jahren um ein Containerterminal erweitert und einige Jahre vom Konzern DP-World aus Dubai betrieben wurde. „Wir sind rund um die Uhr geöffnet und haben selbst in den schlimmsten Zeiten des Bürgerkriegs den Betrieb nie eingestellt“, berichtet Gamal Mohammed, der Leiter des operativen Geschäfts.

In Zukunft mehr Handelskriege

Hujaili, der Geschäftsführer, hebt hervor, dass ihr Unternehmen unabhängig und nicht mit den zahlreichen Milizen verbunden ist: «Wir sind wahrscheinlich das einzige Unternehmen im Jemen, das nach internationalen Standards geführt wird und auch so operiert.» Dies ändert jedoch wenig an der bedrückenden Situation. Solange die Huthis weiterhin Schiffe im Roten Meer angreifen, werden auch zukünftig nur wenige Schiffe den Hafen von Aden anlaufen.

Ein Ende der Kämpfe ist momentan nicht absehbar. Darüber hinaus könnte die aktuelle Krise nur ein Vorbote dessen sein, was noch bevorsteht. «Ich glaube, dass wir zunehmend solche Handelskonflikte sehen werden», meint Analyst Peter Sand mit Blick auf die US-Wahlen oder Spannungen wie die zwischen China und Taiwan. «Geopolitische Krisen zählen daher zu den größten Herausforderungen für die Handelsschifffahrt in der Zukunft.»

ID 45422857 © Presse750 | Dreamstime.com


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