Massenexodus in Venezuela: Maduro bleibt sein Volk flieht

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Massenexodus in Venezuela Maduro bleibt sein Volk flieht

Obwohl in Venezuela kein Krieg herrscht, haben Millionen von Venezolanern das Land verlassen und eine der größten Migrationskrisen der Welt ausgelöst, die sogar den amerikanischen Wahlkampf beeinflusst.

Trotz internationaler Kritik und landesweiter Proteste besteht Venezuelas Präsident Nicolás Maduro darauf, die Wahl am 28. Juli gewonnen zu haben. Die Weigerung des Diktators, sein Amt aufzugeben, könnte für viele der ausschlaggebende Grund sein, das Land zu verlassen – einer Umfrage zufolge erwägen bis zu fünf Millionen Menschen die Flucht, sollte Maduro nicht zurücktreten.

Das lateinamerikanische Land erlebt bereits jetzt einen Massenexodus: Seit Nicolás Maduros Amtsantritt im Jahr 2013 haben laut der UN-Flüchtlingskoordinationsstelle für Venezuela (R4V) 7,7 Millionen Venezolaner ihre Heimat verlassen, was etwa einem Viertel der Gesamtbevölkerung entspricht. Damit haben mehr Menschen Venezuela verlassen als Syrien und die Ukraine, Länder, die von Kriegen heimgesucht werden.

Gemäß den Encovi-Studien, die seit 2017 in Kooperation mit dem UNHCR durchgeführt werden, verlassen Menschen den einst reichen Ölstaat Venezuela hauptsächlich aufgrund der desaströsen wirtschaftlichen Bedingungen. Mit der weltweit immer wieder höchsten Inflationsrate, lebt mehr als die Hälfte der venezolanischen Bevölkerung in extremer Armut, und die steigende politische Unterdrückung verschlimmert die Lage weiter.

Infolgedessen haben in den letzten Jahren Millionen von Männern und Frauen im arbeitsfähigen Alter das Land verlassen.

Anfangs migrierten vor allem die besser Ausgebildeten, laut Encovi-Daten sind es nun jedoch mehrheitlich Menschen mit maximal einer Sekundarschulbildung. Selbst für diese Gruppe sind die Aussichten im Ausland günstiger als im Heimatland.

Die prekäre Situation in Venezuela bereitet insbesondere den Nachbarländern Sorgen. Kolumbien allein hat in den letzten zehn Jahren fast drei Millionen Migranten aus Venezuela aufgenommen, und weitere drei Millionen Venezolaner fanden Zuflucht in Peru, Brasilien und Chile.

Die Vereinigten Staaten und Spanien, die ehemalige Kolonialmacht, sind bevorzugte Zielländer außerhalb Lateinamerikas, insbesondere für gut ausgebildete Venezolaner. Gemäß der letzten Encovi-Studie besitzen 56 Prozent der venezolanischen Migranten in Spanien und den USA einen Hochschulabschluss.

In den lateinamerikanischen Nachbarstaaten hingegen haben hauptsächlich weniger qualifizierte Venezolaner Zuflucht gesucht. Diese Länder nahmen die Flüchtlinge anfangs weitgehend solidarisch auf. Doch mit dem Ausbruch der Corona-Krise im Jahr 2020 verschlimmerte sich ihre Situation dramatisch. Viele verloren ihre Arbeitsplätze und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Zudem stiegen fremdenfeindliche Übergriffe, da die Migranten für die Verbreitung des Virus auf dem Kontinent verantwortlich gemacht wurden.

Daher zog ein Teil der venezolanischen Migranten weiter in Richtung der USA, aber Visabeschränkungen in Mexiko und anderen mittelamerikanischen Staaten machten den legalen Weg dorthin erheblich schwieriger. Dies hatte zur Folge, dass sich die Anzahl der Migranten, die den gefährlichen Darién-Dschungel zwischen Kolumbien und Panama durchquerten, verdreifachte. Im Jahr 2023 wagten über 500.000 Menschen diese riskante und kostspielige Route. In den letzten zwei Jahren kam die Mehrheit dieser Migranten aus Venezuela.

Der Zustrom erreichte nicht nur die amerikanische Südgrenze zu Mexiko, sondern war auch in großen Städten wie New York, Chicago und Washington D.C. spürbar. Dort stießen Sicherheitskräfte, Notunterkünfte und Hilfsdienste bald an ihre Kapazitätsgrenzen, was in den USA eine politische Krise auslöste.

Die Republikaner machen die Politik von Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris für den Anstieg der Migrationszahlen verantwortlich. Sie behaupten, dass die Legalisierung und der erleichterte Zugang zu legalen Migrationswegen für Venezolaner zusätzliche Anreize für weitere Migration geschaffen haben.

Die amerikanische Regierung hat Venezolanern, die sich bereits im Land befanden, mehrmals den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert und Aufenthaltsgenehmigungen verlängert. Im Oktober 2022 schlossen die USA jedoch auch ein Rückführungsabkommen mit Mexiko ab, das unter anderem vorsah, dass höchstens 30.000 Venezolaner pro Monat in die USA einreisen dürfen, ohne abgeschoben zu werden. Dennoch erreichte die Zahl der Migranten, die die amerikanischen Grenzen überqueren wollten, im letzten Jahr einen neuen Höchststand.

Während die Republikaner eine strikte Abschreckungspolitik unterstützen, einschließlich der Vollendung der von Donald Trump versprochenen Grenzmauer und der Ankündigung umfangreicher Deportationen, lehnt das Maduro-Regime in Venezuela seit Jahren die Rücknahme seiner ausgewanderten Bürger ab.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Zustroms venezolanischer Auswanderer bemühen sich andere Aufnahmeländer wie Peru, Chile und Spanien darum, diese Migranten zu legalisieren. Ziel ist es, ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen, prekäre Lebensbedingungen zu überwinden und die Abhängigkeit von staatlicher oder humanitärer Hilfe zu verringern.

In den USA und Spanien besitzt etwa die Hälfte der venezolanischen Migranten entweder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder sogar die Staatsangehörigkeit. Dennoch lebt in den meisten Hauptaufnahmeländern immer noch die Mehrheit der Venezolaner illegal oder mit einem befristeten bzw. ungeklärten Aufenthaltsstatus.

Nach den Vorfällen im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl Ende Juli ist eine Verschärfung der Lage zu erwarten. Bereits jetzt verzeichnen die Nachbarstaaten Venezuelas täglich tausende Grenzübertritte. Der chilenische Präsident Gabriel Boric hat schon vorgeschlagen, dass die betroffenen Nationen Aufnahmequoten festlegen sollten, um eine Krise zu verhindern.

Auch Joe Biden hat darauf reagiert. Zu Beginn des Augusts gab der amtierende US-Präsident bekannt, dass die erleichterte Aufnahme venezolanischer Migranten vorläufig eingestellt wird.

Diese Maßnahme ist eine Antwort auf die Weigerung Maduros, das Präsidentenamt aufzugeben. Zugleich nähern sich die Monate August bis Oktober, in denen traditionell die meisten Grenzüberschreitungen in Richtung USA stattfinden – genau zur kritischen Zeit des amerikanischen Wahlkampfs, bei dem das Thema Migration an der Südgrenze eine zentrale Rolle einnehmen dürfte.

Bild: ID 328553347 © Tetiana Strilchuk | Dreamstime.com


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